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Bienen- und Schmetterlinge spielen eine wichtige Rolle in der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen, sind aber besonders in städtischen Gebieten unter Druck. Das Seed Grant-Projekt «B3 - Bienen, Baumscheiben und Bestäubung» untersuchte, ob sich eine grössere Vielfalt von Pflanzen in der Stadt Zürich positiv auf die Anzahl der Insekten auswirkt. Wir haben mit Anouk Taucher und Kevin Vega über das Projekt gesprochen und wollten wissen, was für Schlüsse gezogen wurden und welche Wirkung das Projekt erzielt hat.
Bestäubende Insekten spielen eine wichtige Rolle. Ungefähr 80 % der Wild- und Kulturpflanzen hängen von ihrer Bestäubung ab. Besonders in den Städten ist ein dramatischer Rückgang der Bienen- und Schmetterlingsarten spürbar. Pollenmangel und Lebensraumfragementierung setzen der urbanen Biodiversität zu. Doch mit der richtigen Planung und Bewirtschaftung können Städte ein regelrechtes Refugium für Bestäuber sein. Und zwar mittels kleiner Vegetationsflächen, die heute einen Grossteil der öffentlichen Grünflächen in verdichteten Städten ausmachen. Jüngste Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass die Pflanzenvielfalt und der ökologische Wert dieser kleinen Grünflächen häufig übersehen und unterschätzt werden1. Darauf basierend untersuchte das Seed Grant-Projekt «B3 - Bienen, Baumscheiben und Bestäubung» zusammen mit Freiwilligen, ob eine grössere Pflanzenvielfalt auch zu einer höheren Anzahl und Vielfalt von bestäubenden Insekten in der Stadt Zürich führt.
Ursina Roffler: Frau Taucher, Herr Vega, können Sie uns kurz zusammenfassen, um was es im Seed Grant-Projekt «B3 - Bienen, Baumscheiben und Bestäubung» ging? Auch in Bezug auf Citizen Science.
Anouk Taucher: Das Projekt startete im Frühling 2021 und wurde auf zwei Jahre ausgelegt. Zum einen wollten wir die Bevölkerung auf blütenbesuchende Insekten und deren Bedürfnisse aufmerksam machen, zum anderen erforschten wir die Rolle kleiner, städtischer Grünflächen für diese Artengruppen. Im Rahmen des Projekts wurden auf der Meldeplattform zuerich.stadtwildtiere.ch vielfältige Informationen und Fördermöglichkeiten zu Wildbienen und Schmetterlingen aufgeschaltet. Ausserdem führten wir zusammen mit Freiwilligen systematische Erhebungen der Blütenbesucher auf Untersuchungsflächen in öffentlichen Grünflächen der Stadt Zürich durch.
Kevin Vega: Aus unseren früheren Untersuchungen wussten wir, dass kleine Grünflächen eine für ihre Grösse erstaunliche Vielfalt an Pflanzenarten beherbergen können. Wir wollten prüfen, ob dieses Muster auch für Bestäuber gilt, und die Ergebnisse nutzen, um Empfehlungen für die Gestaltung und Pflege von Grünflächen zu entwickeln.
Eine Herausforderung in Citizen Science-Projekten ist oftmals die Rekrutierung von Freiwilligen. Gerade auch, wenn die Teilnahme zeitintensiv ist und sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Wie haben Sie Ihre Freiwilligen gefunden? Und was hat dabei gut funktioniert, was weniger?
Anouk Taucher: Da wir im Rahmen des Projekts StadtWildTiere Zürich bereits seit 2013 mit Citizen Science arbeiten, konnten wir in dieser Zeit einen Pool von Freiwilligen aufbauen und für dieses Projekt auch auf diesen zurückgreifen. Zusätzlich haben wir über verschiedene Kanäle Aufrufe gemacht, um interessierte Personen anzusprechen, die gerne am Projekt mitmachen wollten. Im ersten Jahr haben sich 20 Personen und im zweiten Jahr 36 Personen an den systematischen Erhebungen beteiligt. Wie man aus diesen Zahlen sieht, haben im zweiten Jahr deutlich mehr Leute mitgemacht. Ein Projekt bekannt zu machen braucht etwas Zeit, so half uns auch die Kommunikation der Resultate des ersten Jahres dabei für die zweite Feldsaison weitere Interessierte zu finden.
Die Mitarbeit der Freiwilligen in Ihrem Projekt war relativ zeitintensiv. Nach einer Schulung untersuchten und dokumentierten die Freiwilligen regelmässig die Blütenbesucher in einem ausgewählten Gebiet in der Stadt Zürich. Wie ist dies konkret abgelaufen und gab es diesbezüglich Herausforderungen zu meistern?
Kevin Vega: In einem ersten Schritt wurde die Vegetation im Untersuchungsgebiet aufgenommen, dann wurden die Blütenbesucher während 10 Minuten gezählt und in Kategorien eingeteilt, anschliessend während 10 Minuten alle Wildbienen und Schmetterlinge fotografiert und in einer letzten Runde wurden diese zwei Gruppen während 15 Minuten mit einem Netz gefangen und mittels einem Bestimmungsschlüssel bestimmt, bevor sie wieder freigelassen wurden. Die Feldarbeiten konnten an schönen Tagen relativ flexibel durchgeführt werden. Etwas schwieriger stellte sich das Fangen der Blütenbesucher in der letzten Runde heraus.
Anouk Taucher: Besonders dieser Teil war für viele beteiligte Personen zu anspruchsvoll. Vor allem bei sehr kleinen Wildbienen war das Fangen und Bestimmen unglaublich schwierig. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, diesen Teil im zweiten Jahr wegzulassen. Da wir den beteiligten Personen aber trotzdem die Möglichkeit bieten wollten, sich vertiefter in die Vielfalt der Wildbienen einzuarbeiten, haben wir einen 2-stündigen Bestimmungskurs für Interessierte durchgeführt.
In der Projektbeschreibung haben Sie angegeben, dass Sie der Stadtbevölkerung die Ökologie und Schönheit der wechselseitigen Beziehungen zwischen Pflanzen und Bestäubern vor ihrer Haustüre näher bringen wollen. Denken Sie, dies ist Ihnen gelungen?
Kevin Vega: Zusätzlich zum beschriebenen Projekt haben wir in beiden Jahren die Aktion «Mehr als Unkraut» durchgeführt, wo es um die Wichtigkeit der Strassenbegleitflora als Nahrung und Lebensraum für kleine Wildtiere ging. Dabei haben Freiwillige die Namen der Begleitflora mit Kreide auf dem Trottoir neben die Pflanzen geschrieben. Diese «Guerrilla Aktion» fand im Namen von Abenteuer StadtNatur statt und wurde medial begleitet.
Anouk Taucher: Im zweiten Projektjahr haben wir zudem einen Fotowettbewerb durchgeführt, an welchem 34 Personen mit 123 Bildern teilgenommen haben. Zusätzlich haben wir eine «Stunde der Blütenbesucher» durchgeführt, wo jede*r mitmachen konnte. Um mitzumachen wurde eine Fläche von 1 m2 während einer Stunde beobachtet und alle Blütenbesucher fotografiert und auf die Meldeplattform geladen. Das Thema wurde jeweils sehr gut in den Medien aufgenommen und breit kommuniziert, daher denke ich, dass es uns gelungen ist, das Thema der Bestäuber der Stadtbevölkerung näher zu bringen.
Anhand der gesammelten Daten wollten Sie untersuchen, wie sich die Grösse der Grünflächen, die Vernetzung und die Blumenvielfalt auf die Artenvielfalt der Bestäuber auswirken. Was haben Sie herausgefunden?
Kevin Vega: Obwohl auf den 1 m2-grossen Untersuchungsflächen in grossen Grünflächen mehr Wildbienen nachgewiesen werden konnten, zeigte sich, dass auch kleine Grünflächen ein erstaunliches Potential für eine grosse Wildbienenvielfalt aufweisen können. Dies bedeutet, dass bereits kleine Flächen wesentlich für die Wildbienenvielfalt im Siedlungsgebiet beitragen können. Etwas überrascht hat uns das abnehmende Blütenangebot im Laufe der Saison. Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass es wichtig ist ein vielfältiges und auch über die Saison konstantes Blütenangebot zu fördern auf möglichst vielen Grünflächen – egal ob gross oder klein.
Die Ergebnisse des Projekts sind sicher von grossem Interesse für die Stadt Zürich. Sind Sie mit der Stadtverwaltung in Kontakt? Planen Sie die Ergebnisse politischen Entscheidungsträger*innen nahe zulegen? Oder was geschieht mit den Ergebnissen?
Kevin Vega: Wir haben zum einen die Daten bei Vertretern von Grün Stadt Zürich vorgestellt, zudem haben wir ihnen die Daten und den Bericht geschickt. Wir hoffen, daher dass die Erkenntnisse in die künftige Planung und den Unterhalt von Grünflächen einfliessen werden.
Anouk Taucher: Zusätzlich kann aber praktisch jede Person, die in der Stadt wohnt, selbst etwas zur Förderung von Wildbienen unternehmen. Mit bereits wenigen Quadratmetern auf dem Balkon oder im Garten können Wildbienen gefördert werden durch das Ansäen von blühenden Pflanzen.
Das Seed Grant-Projekt ist seit Dezember 2022 abgeschlossen. War es das mit dem Projekt, oder geht es in irgendeiner Weise weiter?
Anouk Taucher: Wildbienen- und Schmetterlingsbeobachtungen können weiterhin über die Meldeplattform gemeldet werden, aber vorerst ist das Projekt in Zürich abgeschlossen. In St.Gallen haben wir letztes Jahr ein Folgeprojekt durchgeführt (in Luzern wird das Projekt diesen Sommer durchgeführt), wobei sogenannte «Wildbieneninseln» kartiert und im Laufe der Saison drei Mal fotografiert werden. Dies hilft ebenfalls aufzuzeigen, wie fluktuierend das Blütenangebot im Laufe der Saison ist. Ziel dieses Projekts ist es einen Wildbienenkorridor quer durch diese zwei Städte anzulegen.
Was nehmen Sie persönlich aus dem Projekt mit?
Anouk Taucher: Ich habe selbst auch an den systematischen Erhebungen teilgenommen. Für mich am eindrücklichsten war die Vielfalt der Wildbienen, die man in der kurzen Aufnahmezeit und dem relativ kleinen Aufnahmegebiet antreffen kann. Zudem hat mich beeindruckt, wie hoch der Anteil an Honigbienen an der Bienenvielfalt ist. Mein Blick auf die Bestäuber in der Stadt hat sich mit dem Projekt sicherlich verändert. Ausserdem wurde mir durch die Feldaufnahmen bewusst, wie wenig blühende Pflanzen es im Sommer gibt, nachdem der erste Schnitt stattgefunden hat.
Kevin Vega: Ich habe ebenfalls an den Aufnahmen teilgenommen. Ich war wirklich beeindruckt von der schieren Vielfalt an Wildbienenarten, die man selbst auf den eher kleinen Grünflächen finden konnte. Noch beeindruckender war für mich das Engagement und das Interesse der Freiwilligen, etwas über diese Bestäuber zu lernen. Ich hatte erwartet, dass sich die Öffentlichkeit für Igel oder Eichhörnchen interessiert, war aber positiv überrascht, wie sehr sie sich für diese kleinen Insekten interessierten.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Zu Anouk Taucher: Anouk Taucher arbeitet als Projektleiterin im Projekt StadtWildTiere. Seit 9 Jahren beschäftigt sie sich mit verschiedenen Projekten rund um Citizen Science, Stadtökologie und Wildtierforschung.
Zu Kevin Vega: Kevin Vega arbeitet als Stadtökologe an der ETH und untersucht Stadtböden und die Artenvielfalt von Wildpflanzen. Zusätzlich ist er für das Beratungsunternehmen Second Nature tätig, wo er biodiverse Grünflächen und artenspezifische Maßnahmen für Städte und private Unternehmen konzipiert.
Redaktion: Ursina Roffler
Das Interview wurde schriftlich geführt.
1 Promoting wildflower biodiversity in dense and green cities: The important role of small vegetation patches https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1618866721001904